Up North

Amerika weiß auch gegen Ende unseres Road Trips immernoch zu überraschen: Als wir das erste Mal in Oregon an einer Tankstelle halten und ich den gewohnten Gang in das Häuschen antreten will um vorab zu bezahlen, kommt doch tatsächlich ein “Tankwart” angelaufen und fängt an, für mich zu tanken. Ein wenig perplex will ich ihm beibringen, dass er das nicht machen braucht und ich ganz gut alleine tanken kann, worauf er entgegnet: “No no, it’s the law.” Die Ahnungslosigkeit in meinem Blick zu erkennen, dürfte nicht schwer gewesen sein, und so erklärt er mir, dass in Oregon für den Kunden getankt werden muss und dass man sich strafbar macht, wenn man selbst tankt. Immernoch etwas verdattert frage ich ihn: “But why?” auf was er mit einer für mich sinnbildlich für Amerika sprechenden Anwort reagiert. “‘Cause it creates jobs.” And fewer people have to inhale the toxic gases.” Na dann Prost Mahlzeit Amerika!

24/7

Ich will nicht sagen, dass ich genug von den USA habe, aber langsam kommt eine gewisse Abschlussstimmung auf, Kanada ist so nah und es wird zunehmend schwerer, sich immer noch für die nächste Stadt zu begeistern. So halten wir die Stopps vor Vancouver wirklich sehr begrenzt, Portland und Seattle ist alles.

In Portland besuchen wir Powells City of Books, einen Namen, den sie definitiv verdient haben! Es ist der größte unabhängige Buchladen der Welt und erstreckt sich mal so eben über einen gesamten Häuserblock sowie 4 Stockwerke. Da gibt’s wirklich nichts was es nicht gibt. Und so geht auch ein gesamter Tag drauf, um diesen Ausmaßen gerecht zu werden.

Seattle wartet auf mit der gleichzeitig faszinierenden aber mindestens auch genauso ekelhaften Gum Wall. Eine Gasse, an dessen Wand irgendwann mal jemand ein Kaugummi geklebt hat, und sich der nächste dachte: “Ja man, voll die gute Idee, da kleb ich meins doch glatt dazu!” Zumindest denke ich, dass es so gelaufen ist. Mittlerweile sind beide Wände der Gasse komplett eingekleistert von gekauten Kaugummi, was mich beim betrachten konstant zwischen den Gemütszuständen “boah wie cool” und “wäh ist das widerlich” schwanken lässt.

Was für eine interessante Ambivalenz doch ausgelöst werden kann von so etwas mondänem wie Kaugummi…

Jetzt gab es vor Kanada nur noch eines zu tun, und zwar die always open Kultur der Amis auszunutzen, was im Klartext heißt, zur beklopptest möglichen Zeit zu Walmart zu gehen. Nach scharfer Analyse haben wir festgestellt, diese muss 3:30-4:30 morgens sein, denn dann sind die Nachtschwärmer nicht mehr einkaufen und die Frühaufsteher sind es noch nicht. Also gesagt getan, und pünktlich wie ein schweizer Uhrwerk waren wir mitten in der Nacht bei Walmart. Jedoch waren da zu unserer beider Überraschung…Menschen. Und nicht gerade wenig. Also klar, viel weniger als sonst, aber ich fand es schon bezeichnend, dass wir eben nicht allein waren. Um die Story abzurunden, kauften wir uns Zutaten, um auf dem Walmart Parkplatz um 4 Uhr morgens Bacon Sandwhiches zu machen. Dies erklärt den Ursprung dieses Bildes:

Nach Erledigung dieser Herzensangelegenheit waren wir bereit, die USA hinter uns zu lassen und wieder in “The Great White North” zurückzukehren.

Der Grenzübergang läuft problemlos und dann haben wir es tatsächlich geschafft! Vancouver liegt vor uns, und der ganze Rest hinter uns. Allerdings hat Bruno noch nicht ganz ausgedient…

Allein in den Bergen

Vancouver war immer so grob als unser Ziel angepeilt, und nun, da wir dieses erreicht haben, stellte sich die Frage, wie es denn weitergehen sollte. Henrik zog es in dem Süden, er wollte ins Warme und hatte keine Lust mehr auf Kanada oder Natur, mich lockten aber die Rocky Mountains sowas von an, und wenn ich schonmal jetzt so nah dran bin, wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen…wer weiß wann ich das nächste Mal die Gelegenheit haben würde.

Also beschlossen wir, uns vorerst zu trennen, denn was hat das für einen Sinn, wenn der Eine seine Zeit und sein Geld aufwendet, obwohl er eigentlich etwas anderes machen möchte?

Henrik setzt sich also in den Flieger nach Mexiko und ich finde im Internet ein paar neue Leute, die zufällig auch in der Zeit in die Rockies wollen, passt ja! Somit steht auch Brunos letzte große Reise fest, aber ich habe wenig Sorgen, dass er jetzt noch den Geist aufgibt, dafür war er zu treu und zu verlässlich. Das eigentliche Problem wird sein, 4 Leute plus Gepäck zu verstauen, aber wie eine meiner neuen Bekanntschaften sehr richtig bemerkt: “I will take squeezing over paying 300$ for a rental car any day of the week.” Dann wirds halt ein wenig kuschlig auf den Rücksitzen.

Ich muss sagen, gerade in den ersten paar Tagen war es schon eine abrupte Umstellung, von einer Person die ich schon ewig kenne zu 3 komplett fremden Menschen, die noch nie im Leben etwas miteinander zu tun hatten. Aber gerade das macht das Reisen mitunter ja auch so interessant, man probiert Neues aus, ist zum Teil auch gezwungen, sich zu arrangieren oder zu sehen wie man klar kommt. Das bringt einem auch viel über seine eigene Person bei, denn ganz oft ist es nicht die unbekannte Situation selbst, die das Problem darstellt, sondern vielmehr die Angst davor. Es ist weitaus schwieriger, die Hemmschwelle zu überwinden, als sich dann konkret in der neuen Situation zurechtzufinden. Sobald man sich darauf einlässt, ist der schwerste Teil schon geschafft.

Mit diesen 3 verbringe in ein paar wunderschöne Tage in den noch wunderschöneren Rocky Mountains. So atemberaubende Natur hab ich wirklich selten gesehen! Das sind Landschaften, die sehen aus wie gemalt! Manchmal steht man da und denkt, man bekommt eine Leinwand vorgehalten. Von den schroffen Kanten und den schneebedeckten Gipfeln über üppige Täler und endlose Nadelwälder bis zu den glasklaren Gletscherseen, egal wo man hingeht und egal wohin man sich umdreht, man wird garantiert überwältigt!

Gerade an sonnigen Tagen, wenn sich die Bergspitzen im Wasser spiegeln ist das ein unvergesslicher Anblick.

Und wenn sich der Tag dem Ende neigt und die Sonne sich verzieht, macht sie Platz für genauso atemberaubende Anblicke wie tagsüber, und alles was man dafür machen muss, ist den Kopf in den Nacken zu legen und den Sternenhimmel zu genießen. An dieser Stelle noch eine Bemerkung dazu, denn in den Rockies gibt es so genannte “Dark Sky Preserves”, die sich um eine Sicherung des dunklen Nachthimmels bemühen, denn an den meisten Orten der Welt sorgt nächtliche Beleuchtung dafür, dass solch spektakuläre Aufnahmen gar nicht möglich sind. Auf den ersten Blick vielleicht banal, aber nachdem ich gesehen habe, wie schön ein Sternenhimmel sein kann, schon schützenswert.

Nach der wunderbaren Zeit in den Bergen ging es nach Vancouver zurück, um Bruno zu verkaufen und schließlich auch meine Weiterreise nach Mexiko zu realisieren. Aber das ist eine Geschichte für eine andere Zeit…

Categories Allgemein

Leave a comment

Design a site like this with WordPress.com
Get started
search previous next tag category expand menu location phone mail time cart zoom edit close