Wo Mensch, Tier und Vulkan lacht

Heilig Abend ist zwar schon vorbei, reich beschenkt werdet ihr hier von mir aber trotzdem nochmal! Um etwas vorzugreifen, Guatemala hat für mich mit einer Shuttlefahrt angefangen, die ich wohl nie vergessen werde und hoffentlich auch nie wieder erleben muss.

Zuerst jedoch ist der Weg zur Grenze auch eine Erzählung wert. In einem kleinen Shuttle-Bus machen wir uns auf Richtung Süden, der Fahrer bringt uns aber nur bis zur Grenze, da müssen wir aussteigen, die Passkontrolle absolvieren und auf der anderen Seite in ein weiteres Shuttle steigen, welches uns dann zum Zielort bringt. So ist das Usus und soweit auch die Abmachung. Der erste Teil verläuft reibungslos und nach wenigen Stunden dackeln ca. 20 Backpacker auf das guatemaltekische Grenzhäuschen zu. Eine Szene, die ich so auch noch nicht erlebt hab.

Die Einreise nach Guatemala war wohl der entspannteste Grenzübergang bis jetzt: hier Pass zeigen, dort bezahlen, Stempel rein, beehren Sie uns bald wieder, Tschüss! Doch dann….dann kam der zweite Teil der Reise, eine mehrstündige Fahrt durch das kurvenreiche guatemaltekische Hochland, durchgängig zweispurig und mit einem Fahrer, der offensichtlich einen neuen Streckenrekord aufstellen wollte! Anders kann ich mir die Fahrweise und die Überholmaneuver beim besten Willen nicht erklären. “Der Typ hat doch ‘nen Ruhepuls von 40, während ich hier hinten mit schweißnassen Händen und akuten Angstzuständen sitz!” waren in etwa meine Gedanken. Irgendwie konnte ich im Laufe dessen meine logische Seite aktivieren und mich mit dem Fakt beruhigen, dass die hier alle so fahren und ich noch keinen einzigen Unfall gesehen habe. Dennoch, die Fahrt hat mich echt fertig gemacht….

Der Zweck heiligt die Mittel und in diesem Fall heiligt die Destination die Anfahrt. Am Lago de Atítlan angekommen wurden wir mit diesem Sonnenuntergang begrüßt, was mich die Fahrt schnell abhaken ließ.

Sonnenuntergang am Lago de Atitlan vom Dock in Panajachel

Das majestätische Ungetüm im Hintergrund ist der Volcán San Pedro, der ja geradezu danach bettelt erklommen zu werden. Was wir im Laufe unseres Aufenthaltes auch in Angriff nehmen sollten, aber dazu später mehr.

Da der gesamte See von Vulkanen und Bergen umgeben ist, erzeugt das erstens ein fantastisches Panorama wohin man schaut und macht es zweitens schwer, die verschiedenen Städte und Dörfer mit Straßen zu verbinden. Deshalb ist das bevorzugte Transportmittel das Boot, sowohl für Menschen als auch für allerlei Warentransport. Geht schneller und zu einigen Dörfern gibt es schlichtweg keine andere Verbindung.

Kurz vor knapp geht uns der Spritt im Boot aus

Guatemala insgesamt und erstaunlicherweise sogar hier am See, hat sich die indigene Kultur noch deutlich stärker erhalten als zum Beispiel in Mexiko. Man sieht überall Frauen mit bunten Tüchern, in denen wahlweise Babies, Tortillas oder Holzscheite eingewickelt sind. Auch die Maya-Abstammung ist unverkennbar, die meisten Leute gehen sogar mir nur bis zum Kinn. Und freundlich sind die Guatemaltesen…das kann ich wirklich so pauschal sagen. Super super liebe, hilfsbereite Menschen, die aufrichtiges Interesse zeigen, welches ich mit Spanischkenntnissen, die über ein paar gestammelte Worte hinausgehen, echt gerne erwidern würde. Ich habe festgestellt, meine Kommunikationsfähigkeiten in Spanisch haben sehr viel mit Erwartungshaltungen zu tun: ich kann im Gröbsten sagen was ich möchte, bin dann aber bei einer Antwort, die anders ausfällt als gedacht, sehr schnell am Ende meiner Weisheit. Oder wenn mich jemand etwas fragt, ohne dass es einen konkreten Umstand gibt, mit dem die Frage zu 99% zu tun haben wird….keine Chance. Per se bin ich nicht unzufrieden, darauf kann man aufbauen, und manchmal reichts schon um mich als halbwegs Sachkundiger zu verkaufen.

Aber ich schweife ab, zurück zum Lago und meinen Erfahrungen. Anfangs nur angedacht als erster Stopp, um nach Guatemala City zum Flughafen zu kommen, gefiel es uns beiden so gut dass wir zwei Wochen blieben. Es gab auch genug zu tun, allein die verschieden Dörfer, jedes mit eigenem Flair, zu besuchen, dauert eigentlich schon eine Woche! Und dann den Vulkan besteigen! Und dann erstmal zwei Tage nichts machen weil man so Muskelkater hat davon!

Blick vom San Pedro auf über 3000m Höhe

Die zweite Woche verbrachte ich auf einer Permakultur-Farm in Tzununa, einem minikleinen Dorf am Hang, mit Blick auf den See. Ich hatte von dem Projekt gehört und irgendwie packte mich die Lust, mal den Reisealltag zu unterbrechen und meine Hände in den Dreck zu stecken. Genau so kam es dann auch, denn eine meiner Tätigkeiten war, Wände mit einem Sand-Erde-Wassergemisch zu verputzen. Macht eigentlich mehr Spaß als man denkt, Matsch an die Wand zu klatschen.

Ansonsten stand Ziegen melken, Erosionsdämme bauen oder Felder vorbereiten auf dem Plan, alles in lustiger Atmosphäre und ohne Zeitdruck. Außerdem allzeit unterstützt durch die nahrhaften Mahlzeiten von Maria, der farmeigenen Köchin und Frau für Alles. Maria war wirklich immer gut gelaunt und die reinste Frohnatur, mit einem unglaublich ansteckenden Lächeln.

Kein Monsanto, sondern selbstgebraute Mikroorganismen
Neill, Ire und Mitbesitzer der Farm, beim Sprühen und Rocken

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So ging auch diese Woche vorbei wie im Flug und schon waren wir auf dem Weg nach Antigua, einer schönen Kolonialstadt und dem Ort, an dem man einen aktiven Vulkan besteigen kann! Ja genau, der eine Vulkan war nicht genug und wir wollen auf noch einen hoch!

Angekommen in Antigua ging alles auch ganz schnell, ich hatte von zwei Québécoiserinnen einen Kontakt bekommen für eine Tour auf den Vulkan und er hatte zufällig am nächsten Tag noch Plätze frei, also haben wir die Chance genutzt! Mit gepackten Rucksäcken waren standen wir am folgenden Tag dann am Fuße des Acatenango, und der Plan lautete wie folgt:

1. Tag Aufstieg zum Acatenango Basecamp und eventueller Besteigung des aktiven Fuego, welcher nur 3km vom Acatenango entfernt ist.

2. Tag Aufstehen um 4Uhr morgens um anschließend den Sonnenaufgang vom Gipfel des Acatenango sehen zu können.

Kleine Verschnaufpause nach dem ersten steilen Anstieg

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“Über den Wolken…. aia ia iaaaa…”

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Sagen wir mal, es kam etwas anders als geplant… Der erste Teil verlief reibungslos und unsere 6er Gruppe plus 2 Guides war gut in der Zeit, als wir das Basecamp erreichten. Dies gab uns die Möglichkeit, noch vor Sonnenuntergang hinüber bis 400m an den Krater des Fuego zu laufen. Das ließen wir uns narürlich nicht entgehen, und obwohl es auf dem Kamm super neblig und bitterkalt war, war die Erfahrung doch einmalig! Von so nah kann man das brodeln des Vulkans hören und wenn es ab und zu laut kracht, weiß man, dass er wieder mal ein bisschen Asche in die Luft gespuckt hat. Allein sich vor Augen zu halten dass man gerade auf einem Vulkan steht, in dessen Tiefen Magma blubbert und sich tödliche Gase bilden, ist ein unglaubliches Gefühl! Der Schnapps, den der Pole mitgebracht hat, nahm uns glücklicherweise die Angst.

Eine unwirkliche Landschaft…auf Vulkanasche 400m vom Krater

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Zurück im Basecamp nahmen wir unser wohlverdientes Abendessen zu uns und genossen den Sonnenuntergang mit fantastischer Panoramasicht. Wie bestellt lieferte uns der Fuego eine abendliche Show ab und sprühte sogar etwas Lava hervor! Dann ging es aber auch gleich ins Bett, erstens weil es schnell kalt wird auf 3500m und zweitens weil wir alle sowas von kaputt waren von dem Tag….

Um ca. 2 Uhr nachts wacht das ganze Zelt auf, weil es draußen einen ohrenbetäubenden Lärm gibt. Es kracht und klingt, als würde gleich die Welt untergehen. Ganz kann wohl zu diesem Zeitpunkt niemand zuordnen, ob es etwas reales ist oder nur ein Traum, der einem im Halbschlaf kommt. So kommt es auch, dass keiner sich die Mühe macht und aus dem Schlafsack rauskriecht, um nachzugucken, sondern getrost weiterpennt.

Um 4 Uhr haben wir dann Gewissheit…der Fuego schleudert eine Feuersäule tief aus seinem Schlund hoch hinaus in das schwarz der Nacht! Der Berg steht lichterloh in Flammen und Lava regnet ringsherum herab, auch auf genau die Stelle, an der wir vor ein paar Stunden noch standen….unfassbar, dass das gerade passiert! Der größte Ausbruch seit Juni, bei dem über hundert Menschen starben. Zum Glück war dieser nicht tödlich, wenn auch spektakulär und äußerst erdend…ich hab ein Gefühl dafür bekommen, wie klein und machtlos ich eigentlich bin als einzelner Mensch in solch einer Situation.

Der Ausbruch ging in etwa bis zum Sonnenaufgang, dann hat der Fuego nachgelassen und wir haben den Abstieg eingeläutet, um einen miesen Muskelkater und ein unvergessliches Erlebnis reicher….

So fing es abends an..
Der Blick aus dem Basecamp des Nachts
Der Fuego macht seinem Namen alle Ehre

Ein paar abschließende Worte zu Guatemala möchte ich hier noch anbringen: Ich habe dieses Land vollkommen unterschätzt, wollte eigentlich nur durch bis zur Hauptstadt, weil da der nächstgrößte Flughafen gelegen war, dabei hat es sowohl landschaftlich sowie kulturell so einiges zu bieten, und obendrein noch mit die freundlichsten Menschen, die ich während meiner gesamten Reise getroffen habe, ich kann es nur immer wieder sagen! Natürlich ist jede Meinung subjektiv und hängt stark von den Erfahrungen ab, die man auf einer persönlichen Ebene gesammelt hat, aber meine waren grandios und ich kann jedem nur raten, Guatemala nicht links liegen zu lassen und diesem einzigartigen Land die Chance zu geben, die es verdient hat!

Categories Allgemein

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